Lena ist ein echter Glücksfall! Die junge Hörakustik-Meisterin erklärt sich bereit, für eine Woche kostenlos in einem unbekannten Land mit mir zu arbeiten!

Stefan und Olga sitzen derweil auf gepackten Koffern, denn wir sind ihre letzten Gäste. Nach dieser Woche fahren sie über den Winter wieder nach Deutschland. Er hatte sich bereit erklärt, noch das Programm für uns zu organisieren, aber dann waren wir schon fast auf uns alleine gestellt.

Nach einem Tag „Akklimatisierung“ und Zusammensuchen der Utensilien in der Gegend und bei Stefan und Olga ging es los. Die erste Station war das Behindertenheim in Nowouralsk. Lena konnte sich nicht vorstellen, was eine geschlossene Stadt ist und dass Behindertenheime für Erwachsene nur auf privater Initiative betrieben werden können. Aber alle 15 Minuten kam ein Klient und länger durfte der Anpass-Prozess nicht dauern. Bald stauten sich im Saal die Menschen. Stefan hatte Klienten bis aus Moskau benachrichtigt. Jedem konnten wir helfen, in der einen oder anderen Weise. Manchmal ein Ratschlag (moderne Phonak-Geräte, gute Otoplastik, gut eingestellt), manchmal versorgten wir die Eltern der Kinder gleich mit. Aber es waren auch schreckliche Fälle dabei. Ich erinnere mich, dass Lena und ich am ersten Tag in der Unterkunft gegen 18/19 Uhr eine Stunde beim Tee saßen und uns angeschwiegen haben. Erst danach hatte wir alles so weit verarbeitet, dass wir Abendbrot machen konnten. Der von der Familie ausgestoßene junge Mann mit 5 dB Resthörvermögen auf einem Ohr, das andere total kaputt! Das junge Ehepaar mit der Frau, deren Taschen-Hörgeräte mindestens 10 Jahre alt waren und aus 1950 zu stammen schienen. Der Stahlwerker, der sein Lebtag Panzer baute und eine typische hochgradige Lärmschwerhörigkeit hatte. Die Musiklehrerin mit einem altersbedingten leichten Hörverlust von 40-50 dB, der bei uns schon als mittelschwerer Hörverlust gilt!

Am 3. Tag waren wir in Nischni Tagil. Spät am Abend hatten wir Stromausfall aber noch 5 Klienten zu sitzen. Auch das wurde gemeistert. Die Frau, die sich beschwerte, dass die neuen Hörgeräte rauschen, dabei war es der Wasserkocher, den sie erstmal hören konnte. Die junge Frau, die Hörgeräte ablehnte und überglücklich später mit Pralinen wiederkam. Denn unsere Hörgeräte passten und funktionierten! Die Familie (beide Elternteile an Taubheit grenzend) mit zwei schwerhörenden Kindern. Der kleine Junge, der Spaß daran findet uns zu ärgern, weil er schon so oft beim Akustiker war, dass er alles kennt. Zudem ist unklar, ob er ein schwankendes Gehör hat oder simuliert.

In Jekaterinburg bauen wir für die Schwerhörigen-Schule noch eine Ringschleifenanlage ein. Der Hausmeister hilft. Eine Kriegsveteranin wird zu Hause von uns besucht und erhält Geräte. Sie lebt mit ihrem Sohn in der Zwei-Zimmer-Wohnung, denn er (55) kann sich von seinem Gehalt keine eigene Wohnung leisten.

Mit einem Sightseeing-Programm in Jekaterinburg beenden wir diese Woche. Insgesamt haben wir über 50 Klienten an 4 Tagen gehabt. Auf meinem Rechner befinden sich noch die Artikel für die Zeitungen, die aber uninteressant für die breite Öffentlichkeit sein müssen, denn sie wurden nie gedruckt oder veröffentlicht.

 

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